Handelsbilanz vs Steuerbilanz – Unterschiedliche Rechnungslegungen in der Finanzbuchhaltung

Unterschied Handelsbilanz Steuerbilanz

Die Handelsbilanz und die Steuerbilanz sind zwei wichtige Instrumente und Ergebnisse in der Finanzbuchhaltung. Beide haben unterschiedliche Hintergründe, Ziele und Regeln. In diesem Artikel werden beide Bilanzen einfach und verständlich erklärt und die wesentlichen Unterschiede gegenübergestellt.

Was ist die Handelsbilanz – Bedeutung?

Steuerbilanz vs HandelsbilanzDie Handelsbilanz ist ein wichtiger Bestandteil der betrieblichen Rechnungslegung. Sie zeigt das Vermögen und das Kapital (Eigenkapital und Fremdkapital) eines Unternehmens zum Ende des Geschäftsjahres auf; die Bilanz gibt somit Auskunft über die finanzielle Situation des Unternehmens.

Die Bilanz besteht aus verschiedenen Positionen, die das Vermögen, die Schulden, das Eigenkapital, die Erträge und die Aufwendungen des Unternehmens darstellen. Typischerweise umfasst sie die Aktiva (Vermögenswerte wie Bargeld, Forderungen, Anlagen) und die Passiva (Verbindlichkeiten wie Schulden, Kredite, Rückstellungen).

Die rechtlichen Grundlagen für die handelsrechtliche Bilanzierung sind im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert. Das HGB ist das zentrale Gesetzbuch für Handels- und Geschäftsangelegenheiten in Deutschland und enthält spezifische Vorschriften zur Buchführung und Rechnungslegung von Unternehmen.

Die relevanten Abschnitte im HGB, die die bilanziellen Grundvorschriften bilden, sind insbesondere die §§ 238 bis 342 HGB. Diese Abschnitte behandeln die

  • handelsrechtliche Buchführung (§ 238 HGB),
  • Aufstellung von Jahresabschlüssen (§ 242 ff. HGB),
  • Ansatz- und Bilanzierungsvorschriften (§ 246 ff. HGB),
  • Bewertungsvorschriften für Vermögensgegenstände und Schulden (§ 252 ff. HGB),
  • Gliederungsvorschriften (§§ 266 u. 275 HGB),
  • Anhang und Lagebericht (§§ 284 u. 289 ff. HGB)
  • Abschlussprüfung (§ 316 ff. HGB) sowie
  • Offenlegungspflichten von Jahresabschlüssen (§ 325 ff HGB).

Die Bilanz muss den gesetzlichen Vorschriften des HGB entsprechen und bestimmten bilanziellen Grundsätzen wie dem Vorsichtsprinzip, dem Realisationsprinzip und dem Grundsatz der Bilanzidentität folgen. Diese Vorschriften und Prinzipien sind grundlegend für die Aufstellung einer korrekten und gesetzeskonformen Bilanz nach deutschen Rechtsnormen.

Die Handelsbilanz wird auch „Ausschüttungsbilanz“ genannt, da sie u.a. dafür erstellt wird, die Höhe der ausschüttbaren Gewinnen des Unternehmens an die Gesellschafter zu bestimmen.

Unterschied Handelsbilanz – Steuerbilanz

Die Steuerbilanz ist so im Steuerrecht nicht eigens definiert. Der § 4 Abs. 2 EStG spricht von einer „Vermögensübersicht (Bilanz)“ und nicht von einer „Steuerbilanz“. Dennoch hat sich im steuerlichen Sprachgebrauch der Begriff der „Steuerbilanz“ herausgebildet und etabliert.

Die Grundlagen für die Erstellung sind sowohl handelsrechtliche als auch steuerrechtliche Vorschriften. Während in der handelsrechtlichen Bilanz vor allem das Ziel besteht, den tatsächlichen Vermögens- und Finanzzustand des Unternehmens widerzuspiegeln, hat die steuerliche Bilanz primär den Zweck, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln.

Die Vorschriften für die Steuerbilanz sind in Deutschland hauptsächlich im Einkommensteuergesetz (EStG) und im Körperschaftsteuergesetz (KStG) verankert. Diese steuerlichen Gesetze legen fest, wie Unternehmen ihre Gewinne ermitteln müssen, um die Steuern zu berechnen, die sie an das Finanzamt zahlen müssen.

Stellenweise werden dabei Bilanzpositionen anders bewertet als in der handelsrechtlichen Bilanz, da die steuerlichen Vorschriften zwingend andere Bewertungsmaßstäbe vorschreiben.

Dies führt in den allermeisten Fällen zu einer Abweichung zwischen der handels- und steuerrechtlichen Vermögensaufstellung. Die vor vielen Jahren angestrebte „Einheitsbilanz„, also die vollkommene Übereinstimmung von Steuer- und Handelsbilanz, ist insbesondere bei größeren Unternehmen heute kaum mehr möglich.

Die Unterschiede zwischen der steuerrechtlichen und der handelsrechtlichen Rechnungslegung können je nach Branche und Unternehmen beträchtlich sein. So können beispielsweise

  • Bewertungsvorschriften
  • Anerkennung von Betriebsausgaben
  • Zulässigkeit von Bilanzposten
  • Verlustbehandlung
  • Erfassungszeitpunkte

zu Abweichungen führen.

Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

Nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) sind die handelsrechtlichen Grundsätze und Vorschriften zur Bilanzierung grundsätzlich auch für die steuerliche Bilanz maßgeblich. Das heißt, dass die in der handelsrechtlichen Bilanz ausgewiesenen Vermögens- und Schuldenpositionen grundsätzlich auch für die steuerliche Rechnungslegung übernommen werden müssen.

Ausnahmen bestehen dann, wenn das Steuerrecht explizit abweichende Vorgaben macht. Die steuerrechtliche Bilanz ist demnach eine um steuerliche Sondervorschriften korrigierte Handelsbilanz.

Die Folge dieses Grundsatzes ist, dass eine Vielzahl an handelsrechtlichen Vorschriften die Grundlage für die Ergebnisse in den betrieblichen Steuererklärungen ist. Hintergrund ist, dass somit eine Vereinfachung der steuerlichen Rechnungslegung erfolgen soll – die Steuerbehörden brauchen so nur bestimmte handelsrechtlichen Regelungen anpassen, nämlich die, die aus Steuersicht zu unerwünschten Ergebnissen führen.


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Steuerbilanz vs Handelsbilanz – Beispiele

Abschreibungen

Die Anwendung von unterschiedlichen Abschreibungsmethoden kann zu Unterschieden zwischen beiden Bilanzen führen. Wird beispielsweise ein Anlagegut im Handelsrecht linear abgeschrieben und im Steuerrecht degressiv, wird in der steuerrechtlichen Bilanz ein höherer Abschreibungsaufwand sowie ein niedrigerer Buchwert generiert.

Rückstellungen

Unterschiedliche Vorschriften zum Ansatz oder Bewertung von Rückstellungen können zu Abweichungen führen. So schreibt das Handelsrecht beispielsweise die Bildung einer Rückstellung bei drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellung) vor (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB). Das Steuerrecht verbietet die Bildung einer solchen Rückstellung (§ 5 Abs. 4a S. 1 EStG), mit der Folge, dass der steuerliche Gewinn höher ist.


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Betriebsausgaben

In den steuerlichen Vorschriften finden sich bestimmte Betriebsausgaben, die nicht in der steuerlichen Gewinnermittlung zum Ansatz kommen dürfen. So sind beispielsweise Geschenke an Geschäftspartner über 35 Euro grundsätzlich nicht abziehbare Betriebsausgaben. Das Handelsrecht kennt keine expliziten Abzugsverbote für betrieblich veranlasste Geschenke.

Disagio/Damnum

Ein Disagio/Damnum liegt vor, wenn der Auszahlungsbetrag eines Darlehens geringer ist als der Rückzahlungsbetrag (Darlehensschuld). Der Unterschiedsbetrag (Disagio/Damnum) kann im Handelsrecht entweder als Betriebsausgabe im Aufwand verbucht oder als sogenannter Sonderposten auf der Aktivseite ausgewiesen (§ 250 Abs. 3 Satz 1 HGB). Das Steuerrecht schreibt im Regelfall eine Aktivierung als Sonderposten vor.

Wird also ein Disagio im Handelsrecht im Aufwand verbucht (Wahlrecht) und im Steuerrecht als Sonderposten aktiviert (Pflicht), weichen Handels- und Steuerbilanz voneinander ab.

Rohstoffe (Umlaufvermögen)

Grundlage für die Bewertung von Rohstoffen nach steuerlichen Vorschriften sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Gemäß handelsrechtlichen Vorschriften ist bei der Bewertung von Rohstoffen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen. Liegen bei den Rohstoffen vorübergehende Wertminderungen vor, besteht in der handelsrechtlichen Bilanz ein Abschreibungsgebot, in der Steuerbilanz hingegen ein Abschreibungsverbot.

Die Folge ist, dass die Rohstoffe nach handelsrechtlicher Rechnungslegung wertgemindert anzusetzen sind, gemäß den steuerlichen Sondervorschriften aber eine Abweichung in der Steuerbilanz unzulässig ist. Die Rohstoffe sind also nach steuerlicher Sicht mehr wert.

Geschäfts- oder Firmenwert

Zahlt ein bilanzierendes Unternehmen beim Kauf eines anderen Unternehmens mehr als es bilanziell wert ist, ist der übersteigende Anteil als Geschäfts- oder Firmenwert zu bilanzieren (immaterieller Vermögensgegenstand). Bilanzierungsvorschriften zum Geschäfts- oder Firmenwert (Unterschiedsbetrag) finden sich im Handelsgesetzbuch (§§ 253 Abs. 3, 309 HGB) und im Einkommensteuergesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Der auch als „Goodwill“ bezeichnete Unterschiedsbetrag ist zu aktivieren und handelsrechtlich planmäßig über 10 Jahre abzuschreiben. Das Steuerrecht schreibt eine Abschreibung über eine gesetzlich vorgegebene Nutzungsdauer von 15 Jahren vor (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Somit kommt es bei der Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts standardgemäß zu einer Abweichung zwischen beiden Rechnungslegungen.

Zusammenfassung

Handels- und Steuerbilanz sind feste Begriffe im Buchführungs-Jargon. Die Handelsbilanz ist im Handelsgesetzbuch ausführlich definiert und beschrieben und ermittelt den ausschüttbaren Gewinn für die Anteilseigner.

Die Steuerbilanz wird im Steuerrecht nicht explizit definiert; sie ermittelt den steuerlichen Gewinn eines Unternehmens, der wiederum Basis für die Besteuerung durch die Finanzbehörden ist.

Über die letzten Jahre drifteten bedingt durch zahlreiche Gesetzesänderungen die Handels- und Steuerbilanz immer weiter auseinander. Eine einheitliche Rechnungslegung – was in der Vergangenheit aus Vereinfachungsgründen oft Ziel war – ist seitdem nicht mehr möglich.


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Häufige Fragen (FAQ)

Was ist eine Handelsbilanz?

Es handelt sich hierbei um eine gesetzlich vorgeschriebene Aufstellung, die das Vermögen und das Kapital eines Unternehmens zum Ende des Geschäftsjahres zeigt. Sie basiert auf den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) und dient dazu, den tatsächlichen finanziellen Zustand des Unternehmens darzustellen.

Was ist eine Steuerbilanz?

Die Steuerbilanz dient primär dazu, die steuerlichen Gewinnermittlungsgrundlagen eines Unternehmens festzulegen. Sie basiert auf den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und weicht in einigen Bewertungsmaßstäben von der Handelsbilanz ab.

Warum gibt es Unterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz?

Unterschiede entstehen, weil die handelsrechtliche Bilanz den tatsächlichen Vermögens- und Finanzzustand des Unternehmens widerspiegeln soll, während die steuerliche Bilanz die Grundlage für die Besteuerung bildet. Die verschiedenen Ziele führen zu abweichenden Bewertungsmethoden und Bilanzierungsregeln.

Was versteht man unter dem Maßgeblichkeitsprinzip?

Das Maßgeblichkeitsprinzip besagt, dass die handelsrechtlichen Grundsätze zur Bilanzierung grundsätzlich auch für die steuerliche Bilanz gelten. Abweichungen sind nur erlaubt, wenn das Steuerrecht explizit andere Vorgaben macht.

Warum ist eine Einheitsbilanz zwischen Handels- und Steuerbilanz heute kaum möglich?

Durch zahlreiche gesetzliche Änderungen sind die Bewertungs- und Bilanzierungsvorschriften in Handels- und Steuerbilanz immer weiter auseinandergedriftet. Eine einheitliche Rechnungslegung, wie sie früher oft angestrebt wurde, ist daher heute kaum mehr möglich.

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